LANDKREIS AUGSBURG
Mann soll 500.000 Euro Strafe zahlen - weil er Bohnen anbaut
Weil er in Gablingen ohne Genehmigung einen Kleingarten betreibt, droht Mehmet Anac jetzt eine Strafe von bis zu einer halben Million Euro.Von Florian Eisele
- Weil er ohne Genehmigung einen Kleingarten betreibt, droht Mehmet Anac eine Strafe von bis zu einer halben Million Euro.Foto: Andreas Lode
Preisfrage: Was muss man anstellen, um eine Geldstrafe in Höhe von einer halben Million Euro angedroht zu bekommen? Manch einer denkt dabei an Wirtschaftskriminalität, Steuerbetrug oder Ähnliches – und liegt dabei wohl richtig. Korrekt wäre aber auch diese Antwort: Man muss in Gablingen Bohnen anbauen und dazu einen Bauwagen aufstellen. Denn genau das hat Mehmet Anac getan: In einem Böschungsbereich eines Grabens außerhalb des Ortes hat der 72-Jährige es sich vor einigen Jahren an einem Nebenfluss der Schmutter gemütlich gemacht. Neben einigen Bohnenstangen hatte Anac auf dem Grundstück auch einen Bauwagen, Tische, Stühle und ein kleines Gewächshaus für Tomaten aufgestellt.
500.000 Euro Strafe - wegen einiger Bohnenstangen
Jahrelang störte sich niemand an dem Treiben – bis Anac im Juli dieses Jahres ein Schreiben vom Landratsamt bekam. Darin wurde aufgelistet, was er auf den Grundstücken mit den Flurnummern 1284 und 1288 unrechtmäßig aufgebaut hat – verbunden mit der Forderung, alles bis spätestens Anfang November zu entfernen. Der letzte Teil des zweiseitigen Briefs lief Anac aufhorchen: Darin weist ihn die Behörde darauf hin, „dass die rechtswidrige Errichtung von Gebäuden und baulichen Anlagen insbesondere im Außenbereich“ eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Der damit verbundene Bußgeldrahmen bewegt sich bis zu 500.000 Euro. Das Schreiben endet mit dem Zusatz „Die Einleitung eines entsprechenden Bußgeldverfahrens gegenüber Ihnen behalten wir uns ausdrücklich vor!“
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Freunde wollen sich für Mehmet Anac einsetzen
Für Anac, der zuvor nichts von alledem ahnte, war das ein Schock: „Ich lebe seit 40 Jahren in Deutschland und habe noch nie Probleme mit dem Gesetz gehabt“, beteuert er. Das Grundstück, auf dem er die Geräte abgestellt hatte, habe er vor über zehn Jahren von Georg Schuster in Gablingen angemietet: Für diesen sei die Wiese wegen der schlechten Bodenverhältnisse unbrauchbar. Eine Pacht verlangt Schuster deswegen nicht: „Ich bekomme ab und zu eine Gurke von der Familie, das passt dann auch.“ Richtig geärgert hat sich hingegen ein anderer Gablinger, der mit Anac seit Jahren befreundet ist: Pius Kaiser, der für die Freien Wähler ehemals das Bürgermeisteramt der Gemeinde innehatte. In Kaisers Elternhaus wohnt Anac seit 40 Jahren mit seiner Frau, auch deren fünf Kinder sind dort aufgewachsen. „Ich bin mit Mehmet Anac befreundet. Deswegen hat es mir wehgetan, wie mit ihm umgegangen wird. Was er da draußen gemacht hat, hat doch niemanden gestört.“
Das Landratsamt lenkt ein
Anac versteht die Welt auch nicht mehr: „Ich esse gerne Bohnen, deswegen habe ich die angebaut. Das ist mein Hobby. Geld will ich damit keines verdienen. In dem Bauwagen habe ich mich ausgeruht.“ Mit einem Brief an Landrat Martin Sailer wollte Kaiser sich für den Freund einsetzen – eine Antwort darauf habe er bislang nicht erhalten. „Mir hat man gesagt, der ist verloren gegangen.“
Stattdessen lenkte das Amt auf Nachfrage ein: Die Verwaltung sagte unserer Zeitung, dass die „gärtnerische Nutzung nicht im Vollzugsfokus steht“. Das Strafmaß bemesse sich zudem an der allgemeinen Gesetzesgrundlage. Übersetzt heißt dies so viel wie: Solange sich niemand beschwert, ist es in Ordnung, wenn Anac weiter seine Bohnen anpflanzt, alles andere muss aber weg.
Tatsächlich hat der 72-Jährige bereits sein Lager und den Bauwagen entfernt. Die Stangenbohnen hätte er nach der Ernte ohnehin ausgerissen. Im nächsten Jahr pflanzt er sie wieder an – wenn er darf.
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